KompleXX Figurentheater - Mehr Sichtbarkeit

  • Von Angelika Maria Gök, hands&company Figurentheater
  • Erschienen in Ausgabe Nr. 128 (2024/1)

Auftaktveranstaltung des neuen Bündnisses "KompleXX Figurentheater" auf der FIDENA, Bochum

Sie spüre „Aufbruchstimmung“, sagte Caroline Waldeck vom Referat Theater, Tanz, Performance der BKM (Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien), die sich in Bochum spontan zu einer kurzen Rede auf dem Podium hinreißen ließ. Obwohl die Haushaltslage momentan keine großen Versprechungen zulässt, sei sie doch sehr zuversichtlich für das neue Bündnis und das Genre Figurentheater.

Im Pumpenhaus an der Jahrhunderthalle trafen sich an diesem grauverhangenen Vormittag des 8. Mai rund 100 Figurentheaterbegeisterte unterschiedlicher professioneller Herkunft: Kulturpolitiker:innen, Veranstalter:innen, Figurenspieler:innen, Figurentheaterforscher:innen, -lehrende, -therapeut:innen und weitere. Sie alle einte das Interesse, gemeinsam am offiziellen Auftakt des neuen Bündnisses „KompleXX Figurentheater“ teilzunehmen, sich auszutauschen, ins Gespräch zu kommen oder sich kennenzulernen.

Jonas Klinkenberg, Dramaturg und Theatermacher mit besonderer Leidenschaft für das Figurentheater, moderierte mit Begeisterung die Veranstaltung. Nach herzlicher Begrüßung wurden zunächst Lars Hecker, Projektleiter vom Förderprogramm „Verbindungen fördern“ des BFDK (Bundesverband Freie Darstellende Künste e.V.), und Annette Dabs, Gastgeberin der FIDENA, auf die Bühne gebeten. Lars Hecker freute sich, dass das Figurentheater zum ersten Mal eine Förderung durch das Programm „Verbindungen fördern“ bekomme, eine Netzwerkförderung, die von der BKM auf Grundlage eines Beschlusses des Deutschen Bundestages finanziert wird. Aus seiner Sicht sei vor allem eine strukturelle Förderung der Szene notwendig, aber auch die Entwicklung neuer Ästhetiken. Für ihn sei bereits ein großer Erfolg, dass Claudia Roth für die Schirmfrauschaft des KompleXX Figurentheater begeistert werden konnte. Annette Dabs dankte dem VDP dafür, die Leitungsaufgaben des Bündnisses übernommen zu haben. Sie erinnerte an die erste Kontaktaufnahme bei Madeline Ritter (Agentur Bureau Ritter),
um sie für ein Coaching für das Figurentheater zu gewinnen. An diesen ersten Kontakt knüpfte Anja Kosanke aus dem Team des Masterplans Figurentheater ein Jahr später an. Unterstützt durch die Beratung von Madeline Ritter wurde schließlich der Förderantrag für den KompleXX Figurentheater entwickelt. Zum Antragsteam zählten Anja Kosanke (VDP), Kora Tscherning (UNIMA), Florian Rzepkowski (dfp) und Mareike Gaubitz (dfp). Nach der Zusage wurde gemeinsam im Zoom mit einem Glas Sekt auf den Erfolg angestoßen.

Im Folgenden stellte Madeline Ritter die Vertreter:innen der drei Verbände vor. Nach Fragen zu Herkunft und Entwicklung des Figurentheaters mündete das Gespräch in einen Ausblick in die Zukunft. Mareike Gaubitz (dfp) wünschte sich den Ausbau wissenschaftlicher Forschung. Sie träumte von weiteren Professuren und zehn Doktorarbeiten im Jahr, einer riesigen Bibliothek und der Vertretung des Genres in den Theaterwissenschaften. Ruth Brockhausen (UNIMA) erhoffte sich für die Zukunft, dass Kindertheater mehr wertgeschätzt und das Genre insgesamt stärker öffentlich wahrgenommen werde, auch als Kunstform für Erwachsene. Matthias Träger (VDP) schloss sich dieser Hoffnung an, indem er sich eine andere gesellschaftliche Reputation
des Berufs Figurenspieler:in vorstellte. Anschließend stellte sich die Koordinationsstelle des Bündnisses vor: Martha Kaiser als Projektreferentin mit einer halben Stelle, Marion Touze als Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ebenfalls mit einer halben Stelle und Anja Kosanke als Verwalterin mit einer Viertelstelle. Anja Kosanke verwies darauf, dass der KompleXX Figurentheater ein Bündnis von der Szene für die Szene sei, das für alle Beteiligten mehr Sichtbarkeit herstellen solle. Marion Touze freute sich auf entstehende Synergien und Brücken, die zwischen Generationen, Kolleg:innen,
Ästhetiken und Theaterhäusern geschlagen werden können. Martha Kaiser schließlich drückte aus, was viele dachten: Dass alle Beteiligten und die Szene sich nun nicht mehr nur im Zoom, sondern endlich persönlich vor Ort kennenlernten.

Nach der Pause wurden an den Tischen Teams aus fünf bis sechs Teilnehmer:innen gebildet, die sich selbst kreative Namen gaben. Jonas Klinkenberg hatte zusammen mit Kora Tscherning ein Quiz erstellt. Zwischen Schätzfragen zu einzelnen Themen wie z.B. „Wieviele Minuten dauert ein Podcast aus der Reihe „Hände hoch"?“ wurden die verschiedenen Teilbereiche des Bündnisses von den Akteur:innen vorgestellt. Der Westflügel Leipzig plant zusammen mit dem dfp eine „summerschool“ im Sommer 2025, zu der während des Festivals „Figure it Out“ Forschende unterschiedlicher Disziplinen
eingeladen werden, um theoretische Anstöße zu liefern und das Interesse an der Figurentheaterforschung zu wecken. Markus Joss (Leiter der Hochschule in Berlin) gab einen Einblick in die Arbeit am Podcast „Hände hoch“, den er als „atmendes Archiv“ für Künstler:innenbiografien bezeichnete und der innerhalb des Bündnisses fortgeführt werde. Des Weiteren stellte Joss das Projekt „Digitalität“ vor, bei dem bereits vorhandenes Wissen von Spezialist:innen im Bereich Theater und Digitalität in einer „Laborküche zubereitet wird“ Anja Kosanke berichtete von einer geplanten Gastspielreihe im
ländlichen Raum in Thüringen mit dem Ziel, die HUG (Honoraruntergrenze) einzuhalten, Kolleg:innen ins Gespräch zu bringen und sich politisch im Thüringer Landtag für das Kindertheater stark zu machen. Christian Fuchs aus Leipzig ermutigte zur Teilnahme am Format „Über den Tellerrand“, bei dem es jeden zweiten Dienstag im Monat um den – mitunter sehr persönlichen – Austausch über Arbeitsstrukturen im Figurentheater geht. Stephan Schlafke (KOLK17) und Mareike Gaubitz machten deutlich, wie wichtig die Erstellung einer Kartographie der gesamten Szene in Deutschland sei, um die Politik von der Bedeutung des Genres zu überzeugen. Sie zeigten sich offen gegenüber Ideen aus den Teams zur Schlagwortsuche. Seta Guetsoyan
(Leiterin des Figurentheaterkollegs Bochum) und Emilien Truche (Figurenspieler) präsentierten das Symposium zur Figurentheaterpädagogik, das vom 11.-14.09.2025 im Figurentheaterkolleg in Bochum stattfindet. Es soll eine Plattform für einen internationalen Austausch sein, bei dem Wissen gesammelt und Weiterbildung verstetigt wird. Stephan Schlafke und Ruth Brockhausen klärten die Versammelten auf über „Catch the Puppet!“, ein Werkstattformat mit Workshops für Jugendliche zur Entwicklung einer App für Figurentheater im öffentlichen Raum. Und zu guter Letzt machte Mareike Gaubitz die Zuhörer:innen bekannt mit der Ausschreibung eines Stipendiums der 4 PS (Puppentheatersammlungen in Bochum, Dresden, Lübeck und München), durch welches mit dem Ansatz des „Citizen Science“, der Miteinbeziehung der Bürger:innen in die Forschung, die Sichtbarkeit der Sammlungen erhöht werden soll. Zum Schluss die letzte Quizfrage: „Wie viele Puppen gibt es in den Puppentheatermuseen in Bochum, Dresden, Lübeck und München zusammen?“. Darauf die Antwort von Jonas Klinkenberg: „Das wissen wir nicht!“ Macht nichts. Das Team „Die Überlebenden“ gewinnt das Ratespiel allein aus namenstechnischer Hinsicht völlig verdient. So steht am Ende dieser gelungenen Auftaktveranstaltung die Anarchie der Puppen: Sie sind einfach
unzählbar.

Weitere Infos unter www.komplexx-figurentheater.de und auf Instagram komplexx_figurentheater

KompleXX Figurentheater - Mehr Sichtbarkeit

(c) Simon Baucks

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